12 Jahre Wohnen ohne Auto: Von einem, der auszog, ohne Auto zu wohnen

in Nahfairkehr 2007

Anfang der 90er Jahre wurde in Deutschland erstmals das Konzept vom autofreien Wohnen diskutiert und recht bald begann man sich auch in München dafür zu interessieren: Die Idee schien bestechend einfach: Haushalte, die kein eigenes Auto besitzen (und das sind in München um die 30%!!), sollten in einer Umgebung ohne Autos wohnen können und keine Stellplätze bauen müssen. Eine win-win-Situation für alle Seiten:

  • Die BewohnerInnen sparen die Kosten für Stellplätze, die sie nicht brauchen, genießen ein besseres Wohnumfeld ohne Lärm und Abgase und haben letztlich mehr Platz zum Wohnen
  • Die Nachbarschaft wird nicht durch zusätzlichen Autoverkehr belastet, sondern profitiert von neuen Mobilitäts- und Infrastrukturangeboten
  • Die Stadt gewinnt durch geringeren Flächenverbrauch, geringere Versiegelung und geringere Luftbelastung, so dass autofreie Projekte auch mithelfen, die Klimaschutzziele zu erreichen

1995 gründete dann der VCD München zusammen mit anderen Umweltvereinen und interessierten BürgerInnen die Initiative "Wohnen ohne Auto", um das autofreie Wohnen auch in der Landeshauptstadt voranzubringen und als gleichwertiges Angebot auf dem Wohnungsmarkt zu etablieren.

Ein erster Erfolg stellte sich schon im Sommer 1995 ein, als sich der Münchner Stadtrat von der Idee überzeugen ließ und beschloss, dass in der Messestadt Riem 200 autofreie Wohneinheiten entstehen sollten. Sehr bald schon hatte sich eine größere Zahl von Interessenten zusammengefunden, die hier ein autofreies Quartier errichten wollten. Dann war jedoch viel Zeit und Engagement nötig, denn die Verhandlungen mit der Stadt waren oft problematisch, weil es kaum juristische und planerische Vorbilder gab und das städtebauliche Konzept der Messestadt die Belange des autofreien Wohnens wenig berücksichtigte. So musste ausgerechnet eine autofreie Hausgemeinschaft auf ihre Kosten und über ihr Gebäude hinweg den Abluftkamin für eine Sammeltiefgarage erstellen.

Nach vier Jahren konnten schließlich doch die ersten Wohnungen bezogen werden und mittlerweile gibt es in Riem vier realisierte Projekte mit insgesamt gut 100 Wohneinheiten. Ein weiteres Vorhaben mit 90 Wohnungen ist in Planung und auch im nächsten Bauabschnitt ist autofreies Wohnen wieder möglich. Die BewohnerInnen selbst sind mit ihrem autofreien Quartier äußerst zufrieden und auch nach Jahren praktischer Erfahrung voll vom Konzept "Wohnen ohne Auto" überzeugt.

Ende gut, alles gut? Leider nein: In anderen Münchner Neubaugebieten (z. B. Theresienhöhe, Ackermannbogen, Hauptbahnhof-Laim-Pasing) genehmigte die Stadt trotz des Erfolges in der Messestadt und intensiver Bemühungen von "Wohnen ohne Auto" sowie potentieller Interessenten kein weiteres autofreies Projekt. Als besonders hinderlich erwies sich die in der Bayerischen Bauordnung verankerte Stellplatzklausel (und vor allem die dem Wortlaut nach viel strengere Vollzugsrichtlinie des Innenministeriums zur Bayr. Bauordnung (Anm. d. Webmasters)), die die Errichtung von Stellplätzen im Wohnungsbau zwingend vorschreibt. Hier könnte die geplante Novellierung des Baurechts eine Verbesserung bringen und es bleibt zu hoffen, dass die Stadt München dann ihren Widerstand gegen weitere autofreie Wohnsiedlungen aufgibt.

Denn darin sind sich die Mitglieder der Initiative sicher: Wohnen ohne Auto bleibt ein Modell mit Zukunft. Die steigenden Ölpreise, die EU-Richtlinien zum Feinstaub und zum Umgebungslärm, die demographische Entwicklung und zunehmende Verarmung der Bevölkerung sowie die nicht mehr finanzierbaren Kosten des Straßenbaus und -unterhalts werden über kurz oder lang zu einem Rückgang des Autobesitzes führen. Und die heute erzwungenen teuren Tiefgaragenbauten werden dann nur noch überflüssige Andenken an eine autozentrierte Gesellschaft sein!!!

Maria Ernst

 

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