Individuell und autofrei durch's Ziel

(aus 'Münchner Stadtgespräche Nr.11 / Mai 1999', die Zeitschrift des Umweltinstitut München e.V.)

Das erste autofreie Wohnprojekt hat in Riem Gestalt angenommen. 14 private Bauherren haben zusammen mit der Initiative, Wohnen ohne Auto' und dem Architekturbüro Philipp und Hofmann in Haidhausen ihre Ideen verwirklicht. Circa 180 weitere Wohnungen sollen -einem Stadtratsbeschluss folgend - unter diesem Aspekt entstehen.

Ein Gespräch über Anstrengungen und Erfahrungen

M.S: Was Ist das besondere am autofreien Wohnen?

Claus Hofmann: Das besondere ist, dass diese Familien sich richtiggehend verpflichtet haben, kein Auto zu besitzen. Das ist vertraglich mit derStadt festgelegt und wird jedes Jahr neu überprüft. Das heißt die Familien geben einen Bericht an die Stadt, ob sich im Vergleich zum Vorjahr etwas verändert hat, ob zum Beispiel eine Familie sich ein eigenes Auto zugelegt hat.

Stephan Philipp: Es ist ja für die Familien durchaus möglich, bei den Tiefgaragenbetreibern einen Stellplatz zu kaufen. Zur Zeit besitzen sie insgesamt drei, dazu waren sie verpflichtet. Ein Zukauf wird von den Betreibem registriert und wenn diese vierzehn Familien irgendwann auf sechs Stellplätze kämen, hätten sie ihren Vertrag mit der Stadt über autofreies Wohnen gebrochen und müssten dann so viele Stellplätze kaufen, dass sie den für das Gebiet "normalerweise" vorgeschriebenen Stellplatzschlüssel" erfüllen.

C. H.: Bei sechs und mehr Stellplätzen gilt das Projekt 'Autofrei Wohnen' als gescheitert, was nicht bedeutet, dass die Menschen dort ausziehen müssen, aber Projektcharakter hat die Wohnanlage nicht mehr.

M. S.: Sie haben vorhin gesagt, dass es gar nicht so einfach war, vierzehn Familien für dieses Projekt zu begeistern. Wie haben Sie sich kennengelernt?

S. Ph.: Eine kleine Gruppe, initiiert von 'Wohnen ohne Auto', gab es bereits, bevor wir Architekten sie kennengelernt haben. Sie umfasste anfänglich fünf bis sechs Familien. Durch Anzeigenschaltung in verschiedenen Tageszeitungen wurde publik gemacht, dass für das Projekt noch Familien gesucht würden. Nach und nach kamen dann die heutigen vierzehn Familien zusammen.

M. S.: Was war Ihre Motivation, diesen Auftrag anzunehmen, vor allem bevor überhaupt vierzehn Familien zusammen gekommen waren und eine gewisse Projektsicherheit gegeben war?

C. H.: Zum einen ist man als Architekt derzeit für jeden Auftrag dankbar, zum anderen war das eine extrem reizvolle Geschichte. Es war uns durchaus klar, dass es ein wesentlich arbeitsintensiveres Projekt ist als ein normales Bauvorhaben. Dadurch, dass wir bereits Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit solchen Gruppen gesammelt haben, waren wir relativ schnell entschlossen, das zu machen.

M. S.: Sie haben also schon einmal mit einer privaten Bauherrengruppe in dieser Form zusammengearbeitet?

S. Ph.: Nicht ganz in dieser Größenordnung. Es gibt einen Verein "Bauwerk", der sich für gemeinschaftliches, ökologisches Planen, Bauen und Wohnen einsetzt. Zwei Projekte existieren über diesen Verein in München und man musste dort auch die verschiedenen Einzelinteressen unter einen Hut bringen. Das besondere an diesen Projekten ist ja, dass man eine Gruppe von privaten Bauherren hat, von denen jeder jeweils ein Teil eines Gesamtgrundstückes kauft und überplant. Von Architektenseite wird versucht, alle Einzelideen und Vorstellungen zu berücksichtigen und somit letztendlich gemeinsames Bauen zu ermöglichen.

M. S.: Was ist denn das besondere an den Häusern?

S. Ph.S. Ph.: Der Unterschied ist eigentlich nur, dass die einzelnen Familien ganz genau und von Anfang an ihre Vorstellungen über Gesamt- und Zimmergröße, Raumaufteilung etc. einbringen konnten und wir sie dann umgesetzt haben. Normalerweise, wenn man von einem Bauträger ein Haus kauft, hat man gerade noch Einfluss auf die Farbe der Fliesen und Bodenbeläge.

C. H.: Wir haben zunächst alle Einzelvorstellungen angehört, um uns Klarheit über die Größenordnung zu verschaffen. Dann wares unsere Aufgabe, alles in ein Gerüst zu bringen, dass einer Realisierung auch nichts mehr im Wege stand, zumal eine Vorgabe ja auch war, kostengünstig zu bauen.

S. Ph.: Selbstverständlich gab es auch den ökologischen Ansatz, wobei hier schon anzumerken ist, dass ein gewisser Anteil an Kunststoffen am Bau nicht vermeidbar ist und die Kosten bei bestimmten ökologischen Baustoffen immens ansteigen. Zum Schluss versucht man eben, einen Mittelweg zu beschreiten. Das perfekte ökologische Haus wird es nicht geben, irgendwo muss man immer Kompromisse schließen.

M. S.: Wie waren Ihre Erfahrungen mit der Bauherrengruppe auf der einen und dann mit der Stadt München auf der anderen Seite?

C. H.: Die Zusammenarbeit war zunächst etwas zäh. In Riem entsteht ja eine völlig neue Stadt. Die sonst üblichen Vorgaben waren noch nicht getroffen und das Grundstück war noch nicht erschlossen. Das Parkraumkonzept, welches ein Novum in München darstellt, war noch nicht verabschiedet, weil es etliche politische Querelen gab. Das hat uns etwa ein halbes Jahr zurück geworfen. Für die Stadt war es auch etwas ganz Neues, eine Gruppe von privaten Bauherren vor sich zu haben. Sie sind es zwar gewohnt, mit Bauträgern oder ihren eigenen Wohnungsbaugesellschaften umzugehen, aber von den verschiedenen Referaten war neues Eindenken gefordert. Im Gegenzug mussten wir Geduld, Zeit und Arbeit aufbringen.

M. S.: Aber es sind ja wohl nicht alle vierzehn Familien gemeinsam bei der Stadt aufgetreten?

C. H.: Stellenweise schon, was wir dann auch kanalisieren mussten. Zeitweise waren wir vollauf mit Organisation beschäftigt und sind zu unserer eigenen Arbeit gar nicht mehr gekommen.

M. S.: Wie lief die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und der Bauherrengruppe?

S. Ph.: Die Zusammenarbeit lief durchaus gut. Man muss sich vorstellen, es ist eine Gruppe von vierzehn Familien mit unterschiedlichen Vorstellungen. Die vierzehn Familien waren und sind bis heute - bereit, sich einmal in derWoche für zwei bis vier Stunden zusammenzusetzen. Bei diesen Treffen, an denen wir abwechselnd teilnehmen, werden die ganzen Modalitäten besprochen. Das müssen ein Bauherr und genauso die Architekten erst einmal leisten, über ein Jahr lang einmal in der Woche Zeit aufzubringen. Das war aber in diesem Fall dringend nötig, sonst hätte das Projekt nie funktioniert.

Die Gruppe und vor allem wir Architekten haben ungeheuer viele Erfahrungen gesammelt. Beim nächsten Projekt kommen uns diese auf jeden Fall zugute, was bedeutet, dass es mit Sicherheit in der Hälfte der Zeit bewerkstelligt werden kann.

M. S.: Was waren denn thematisch gesehen die größten Schwierigkeiten beiden Treffen?

C.H.: Ein dicker Brocken war wirklich, eine Bank zu finden, die bereit war, ein solch völlig neues Modell - auch im Bereich der Haftung mit einer Gruppe von 14 privaten Bauherren durchzuführen. Leider haben sich vor allem die Banken im sogenannten alternativen Bereich nicht besonders innovativ gezeigt.

Problematisch war auch die Vorgabe der Stadt, soundsoviel Prozent der Wohnfläche frei und den anderen Teil über das München Modell zu finanzieren. Eine Hauptdiskussion war, einen Entscheidungsmodus zu finden, wie freifinanzierte Bauherren im Vergleich zu den München Modell - Bauherren behandelt werden. Bekommen Freifinanzierte dieSchokoladenseiten, also die Süd- und Westseiten und müssen die anderen wie in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft an die Nordseiten? Wir haben dann versucht, auf alle Seiten einzuwirken und einen befriedigenden Kompromiss zu finden. Das war sehr zeitaufwendig.

S. Ph.: Eine lange Diskussion war auch die finanzielle Aufteilung der Baukosten in den verschiedenen Bereichen wie Dach, Außenwand etc. Man hat ja drei Häuser mit vier bis fünf Familien. Da laufen die Diskussionen bis heute.

M. S.: Geht das nicht nach Quadratmetern?

S. Ph.: Es gibt laut Wohnungseigentumsgesetz eine Vorgabe, an die sich in der Gruppe nicht immer gehalten wird und die durch einen notariellen Eintrag ausgehebelt werden kann. Manchmal wird dann die Bezahlung eben anders geregelt. Man muss ja sowieso zwischen Bezahlung und Unterhalt unterscheiden. Das führt zu endlosen Diskussionen. Das nächste Mal hoffen wir, die Lösung der jetzigen Gruppe als Vorschlag gleich einbringen zu können und auf positive Resonanz zu stoßen.

C. H.: Auch bei der Innenausstattung hatten die vierzehn Familien etwa achtzehn Meinungen, also es gibt wirklich genügend Bereiche, wo großer Diskussionsbedarf besteht.

M. S.: Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt in diesem Prozess Moderation in Anspruchnehmen müssen, weil die Diskussion so festgefahren war, dass nichts mehr ging?

S. Ph.: Gott sei dank gab es in der Gruppe eine Person, die sich sehr bald als hervorragender Diskussionsleiter herausgestellt hat. Wir haben ihm dann diese Rolle auf Dauer zugeteilt. Somit hatte sich das Thema Moderation sehr schnell erübrigt.

M. S.: Hat die städtische Seite denn Interesse an den Treffen signalisiert und sich -zumindest bei bestimmten Themen - daran beteiligt?

C. H.: Bei den regelmäßigen Sitzungen war niemand von städtischer Seite dabei, aber die Gruppe hat schon selbst dafür gesorgt, dass sie sich in der Stadtverwaltung und im Rathaus bekannt macht.

M. S.: Ist es normal, dass Architekten bei der Planung immer wieder mit der Stadtvverwaltung in Kontakt treten?

S. Ph.: Normal ist das schon, aber in dem Umfang wie das bei uns geschehen ist, ist es schon außergewöhnlich. Die Stadt München wusste anfänglich selbst nicht, wie sie draußen in Riem am besten verfahren sollte. Da wurde gemeinsam immer wieder hin und her diskutiert, wie das zubewerkstelligen ist. Es war dann schon eher ein miteinander als ein gegeneinander.

Wobei das eben eine Arbeit ist, die man im Normalfall nicht zu leisten hat, weil eben die städtischen Vorgaben gegeben sind.

M. S.: Planen denn die vierzehn Familien über die Idee des car sharings hinaus noch weitere Bereiche in eine gemeinsame Lebensgestaltung zu integrieren?

C. H.: Insgesamt schätze ich die Stimmung in der Gruppe so ein, dass sich im Zusammenwohnen wohl etwas ergeben wird. Der große Gemeinschaftsgedanke, wie er in den 70er/ 80er Jahren vielleicht verbreiteter gewesen ist, steckt sicher nicht dahinter. Auch die baulichen Voraussetzungen für ein solches Unterfangen, wie zum Beispiel Gemeinschaftsräume, hätten garnicht erfüllt werden können. So ist die Gruppe von Anfang an nicht angetreten.

S. Ph.: Ich wohne selber in einem kleinen Gemeinschaftsprojekt. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, es ist besser, mit kleinen Dingen wie zum Beispiel einer gemeinsamen Waschmaschine, Regenwasserzisterne, gemeinsames Kinderspielzimmer oder ähnlichem anzufangen. Je niedriger die Erwartungen gehängt werden, desto besser, wenn etwas gemeinsam läuft. Die vierzehn Familien treffen sich jetzt seit anderthalb Jahren und haben bereits wahnsinnig viel miteinander zu tun und auch zu entscheiden. Ich kann schon erkennen, dass sich dazwischen Einzelnen Freundschaften gebildet haben, die sicher auch in Zukunft bestehen.

M. S.: Wie schätzen Sie die Zukunftsperspektive für weitere autofreie Wohnprojekte hier in München ein?

C. H.C. H.: Schön wäre, wenn hier in München besser erschlossene Gebiete für solche Projekt zur Verfügung stünden. Durch die U-Bahn ist in Riem jetzt zwar die Verkehrsanbindung verbessert, aber was die Infrastruktur bezüglich Geschäfte und anderer Grundversorgung anbelangt, kann man die Familien geradezu als Pioniere bezeichnen. In zehn Jahren wird das mal ein super Stadtteil, aber im Moment ist es wirklich noch schwierig. Solange man geförderte Grundstücke über die Stadt bekommt, werden solche Projekte auch Zukunft haben. Freifinanziertes autofreies Wohnen hat es sehr sehr schwer.

S. Ph.: Auf der einen Seite gibt es den Stadtratsbeschluss für zweihundert solcher Wohnungen ohne eigenes Auto in Riem. Auf der anderen Seite wohnen in erster Linie die Leute ohne eigenes Auto, die eher wenig Geld haben. Es gibt ganz wenig Leute ab einer bestimmten Einkommensgruppe, die bereit sind, auf ein Auto zu verzichten und sich diesbezüglich vielleicht sogar noch vertraglich binden.

Unsere Erfahrung zeigt, dass vor allem über diesen geförderten Wohnungsbau und das München-Modell in Zukunft das Potential da ist, diese zweihundert Wohnungen zu füllen. Dennoch muss jedem klar sein, dass immer ein Teil dieser Wohneinheiten freifinanziert sein muss, die dann eventuell aus dem Konzept autofreies Wohnen herausgenommen sind. Eine solche Vermischung schadet auch nicht, denn es sollen ja keine Enklaven entstehen. Hauptziel ist nicht, dass keine Autos weit und breit zu finden sind, sondern dass nicht jeder ein Auto besitzt. In Riem zum Beispiel kann man direkt ohne eine Straße überqueren zu müssen ins Grüne, das wurde straßenplanerisch hervorragend gelöst und sollte Bewohnern unter dem Aspekt Wohnen ohne eigenes Auto immer angeboten werden. Das Ziel jemals in einer autofreien Stadt zu leben, wo niemand mehr auf ein Auto angewiesen ist, halte ich für zu hoch gesteckt. Es wird eine Vision oder Illusion bleiben. Daran glaube ich nicht.

C. H.: Wenn ein Stadtviertel eine hervorragende Infrastruktur hat, ich sehe das hier an Haidhausen, dem Viertel, wo ich lebe und arbeite, dann brauche ich die ganze Woche über zur Bewältigung meines Alltags kein Auto. Aber das ist hier in Haidhausen so. Das Problem ist, hier wird es ein solches Projekt nur geben, wenn massive Unterstützung von Seiten der Stadt angeboten wird, weil die Grundstückspreise für solche Vorhaben viel zu hoch sind.

M. S.: Wie reagiert die Stadt auf solche alternativen Wohnprojekte? Stößt man auf eine gewisse Reserviertheit oder eher auf Akzeptanz? Welche Erfahrungen haben Sie mit der Stadt gemacht?

S. Ph.: Da hat sich in der Stadt in den letzten Jahren einiges getan. Sie steht voll hinter solchen Projekten und Ideen. Die Stadtbaurätin Frau Thalgott unterstützt solche Projekte, wo sie nur kann, die Tendenz ist eindeutig unterstützend.

M. S.: Auch bei der Stadtverwaltung?

C. H.: Bei nahezu allen Ressortleitem haben wir geradezu offene Türen eingerannt. Die Bereitschaft, uns weiterzuhelfen, war vollgegeben.

M. S.: Wäre denn eine Mischfinanzierung möglich, also könnte man den freifinanzierten Anteil an Fläche mit dem des München-Modells zusammenlegen und eine auf niedrigerem Niveau komplett geförderte Fläche schaffen, um mehr Interessenten für das Projekt zu gewinnen?

C.H.: Diesen Vorschlag hatten wir der Stadt vor kurzem zur Finanzierung des zweiten Bauabschnitts gemacht. Dort wurde uns allerdings mitgeteilt, dass dies aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Eine Mischkalkulation ergäbe für alle zukünftigen, privaten Bauherren das Recht auf Förderung und dieses Geld ist bei der Stadt nicht vorhanden. Es ist also nur Freifinanzierung oder München-Modell möglich.

M. S.: Haben Sie eine Vorstellung davon, was passieren muss, damit die zweihundert Wohneinheiten, die der Stadtratsbeschluss "autotrei" vorsieht, auch umgesetzt werden können?

S. Ph.: Wir haben uns um ein weiteres Grundstück bemüht, aber das Geld ist schon ein Problem. In Konkurrenz mit großen Bauträgern, die vielleicht die zehnfache Geschossfläche bebauen wollen, ziehen wir selbstverständlich eher den Kürzeren, obwohl die Stadt schon diejenigen berücksichtigen will,die sich der Idee 'autofrei' verschrieben haben. Doch große Bauträger haben eben einen enormen Vermarktungsdruck, der zur Konsequenz hat, dass sie sehr gute Grundstücksbereiche braucht, um schlechte finanziell kompensieren zu können. Das heißt, wir haben nicht die Möglichkeit, zur Stadt zu gehen und uns die Sahnestückchen zu sichern, weil die Stadt sonst Gefahr läuft, auf den verbleibenden Flächen sitzen zu bleiben.

München Modell

Einheimischenmodell der Stadt München für mittlere Einkommen

 


C. H.: Ich glaube, dass nur über solche Initiativen und private Bauherrengruppen in Riem diese zweihundert Wohnungen zusammenzubekommen sind. Ein konventioneller Bauträger wagt sich an so etwas nicht heran, weil er befürchtet, auf seinen Wohnungen sitzen zu bleiben.

M. S.: Ist das denn so, dass er auf diesen Wohnungen sitzen bleibt? Immerhin haben in München ja 40 % der Haushalte kein Auto!

S. Ph.: Das mag sein, aber bei den 40% muss man ja erst mal schauen, wie viele von ihnen das Geld hätten, selber zu bauen. Was ja defacto bedeutet, rund 500.000 DM zu investieren.

M. S.: Das heißt die Bestrebungen müssten verstärkt in Richtung Mietwohnungsbau gehen?

S. Ph.: Genau. Aber im Mietwohnungsbau würde die Voraussetzung, kein Auto zubesitzen, eine Einschränkung bedeuten. Jeder Bauträger wird aber Einschränkungen tunlichst vermeiden, um eine Vermietung sicherzustellen.

M. S.: Kommen denn die qualitativen Vorteile, wie Ruhe, car-sharing vor der Haustür etc., nicht zum Tragen?

S. Ph.: Wenn man das einem Bauträger erzählt, wird man ausgelacht. Ein Bauträger will so arbeiten,dass er weite Teile der Bevölkerung abdecken und seine Wohnungen absetzen kann. EineVeränderung erreiche ich hier nur auf politischem Wege. Ich biete Vergünstigungen und finanzielle Vorteile an und überlege, wie ich auch große Bauträger erreichen kann. Wobei ich der Meinung bin, dass eine private Bauherrengruppe durchaus auch noch größer, sogar doppelt so groß sein kann wie diese vierzehn Familien.

C. H.: Wir sind momentan recht zuversichtlich und hoffen für uns als Architekten, dass die Fertigstellung der Häuser noch einmal ein Motivationsschub bedeutet. Wir können ja wirklich jetzt sehr viel positive Erfahrungen einbringen, obwohl wir ursprünglich sogar alsTraumtänzer bezeichnet wurden. Wir können jetzt beweisen, dass es machbar ist.

 

Neue Chancen in Riem

Bildung einer weiteren autofreien Bauherrengemeinschaft geplant

An das erste Projekt "Autofrei Wohnen" angrenzend;
50 m zum Landschaftspark;
ökologische Bauweise und Dachbegrünung

Möglich sind individuell gestaltete 1 -geschossige Wohnungen, Maisonetten im EG/1. OG sowie 2. OG/DG

Alle Wohnungen mit Terrasse oder Balkon sowie Gartenanteil

 

Weitere Informationen:

Unsere Webseite mit detaillierten Beschreibungen und Plänen
auch per e-mail an "Wohnen ohne Auto" Tel. 201 18 98, Fax 201 53 13 und

Architekturbüro Hofmann und Philipp Tel. 48 00 26 60, Fax 448 88 37

 

S. Ph.: Im Moment sind sogar von unserer Seitein Zusammenarbeit mit der Initiative 'Wohnen ohne Auto' Bestrebungen im Gange eine weitere Gruppe zu finden und einen zweiten Bauabschnitt durchzuführen. Der Aufwand, den wir betrieben haben, rechnet sich erst, wenn wir das Projekt noch einmal durchführen, was wir dann natürlich wesentlich schneller können. Vor allem aber wäre es schade, unsere Erfahrungen nicht noch einmal zu nutzen.

M. S.: Wir danken herzlich für das Gespräch.

Das Interview wurde geführt von Lydia Wagner von der Initiative 'Wohnen ohne Auto' und Alice Wennhak vom 'Umweltinstitut München e.V.'.

 

Ein neuer städtebaulicher Ansatz

Nachts bei offenem Fenster schlafen, sich abends mit den Nachbarn auf einen Ratsch auf dem Feierabendbankerl zusammensetzen, die Kinder unbeaufsichtigt auf die Straße schicken - keine Beschreibung einer dörflichen Idylle, sondern Vision des Lebens in einer autofreien Siedlung in der Stadt.

Die konventionelle Stadtplanung betrachtet den autobesitzenden Erwachsenen als Norm. Leute, die ihren Alltag ohne Auto organisieren, werden als Ausnahme betrachtet. Die Gestaltung des öffentlichen Raums orientiert sich heute am Platzbedarf und der Geschwindigkeit des PKW. So ist das Wohnumfeld -- auch das des autofreien Haushaltes -- vom MIV geprägt.

Wirkliche Vorteile können erst dann zum Tragen kommen, wenn zusammenhängende Siedlungen ohne Auto entstehen.

Wie sehen diese aus?

Autofreie Siedlungen können nach den Bedürfnissen von Radfahrern und Fußgängern, von Geh- und Sehbehinderten und Kindern gestaltet werden.

Kennzeichen solcher Siedlungen sind kurze Wege, eine eigene Infrastruktur, gute ÖPNV-Anbindung und mehr Grün. Die Bewohner haben kein eigenes Auto, können aber jederzeit auf Carsharing, Mietwagen oderTaxi zurückgreifen, der Durchgangsverkehr bleibt dennoch draußen.

Autofreie Siedlungen unterscheiden sich vonverkehrsberuhigten Siedlungen, bei denen die übliche Anzahl von Parkplätzen lediglich an den Rand verlegt ist.

Autofreies Wohnen und Leben ist somit ein Beitrag zur Lösung der Probleme Luft- und Lärmbelastung, Verkehrsunfälle, Landschafts- und Energieverbrauch und ermöglicht preiswerteres Wohnen durch eingesparte Stellplatzkosten.

Frei von den Zwängen der "autogerechten Stadt" hat Planung die Chance, hochwertige, gesunde und phantasievoll gestaltete Wohngebiete zu entwerfen, in denen öffentlicher Raum wieder zum sozialen Raum wird -- urban im bestenSinne.

 

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